Angst II
Sie fragen mich, was Angst ist? Angst kann sehr vieles sein, ich kann
mich allerdings nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal
eine Angst in der Art gefühlt zu habe, wie ich sie in der Zelle Nr. 47
empfand. Wenn ich mir meine Aufnahmen von damals anhöre, habe
ich das Gefühl, dass zwischen mir und meiner Vergangenheit Welten
liegen; Welten, von denen ich nur in den seltensten Fällen einen
Eindruck erhaschen oder eine Erinnerung behalten durfte. Das einzige,
was ich vom „Damals“ mit ins „Heute“ genommen habe, sind allen
Anscheins nach die Zigaretten.
Ich erinnere mich noch genau an die Worte von S., die er bei seinem
einzigen Besuch im Suicide Apartment äußerte:
„Und das da ist die Ecke, in der Dein Gehirn hätte kleben sollen“.
Er deutet mit dem Zeigefinger auf die weiße Betonwand und grinste verlegen.
„Keine Ahnung, mit diesem Haus stimmt etwas nicht. Das merkt man schon,
wenn man durch den Flur mit dem kalten Licht geht“.
„Ja, Du hast recht“, erwiderte ich und bekräftige damit beide seiner Aussagen.
Ich weiß nicht, ob er mir damals meine Verwunderung über diesen Beweis
seiner Empathie angemerkt hat, aber S. hat am frühen Nachmittag
eines Tages im Sommer 2002 ein einziges Mal jenes Bild gesehen,
das jeden Abend vor meinen Augen aufgestiegen ist.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich dieses Haus jemals lebend verlassen würde.
Ich habe gefühlt, dass es mich töten wollte;
Selbst nachdem ein Nachmieter gefunden und die Wohnung der
Hausverwaltung übergeben worden war, zweifelte ich noch daran,
dass ich es unbeschadet aus der Tür hinaus ins Tageslicht schaffen würde.
Ich habe mich ans Treppengeländer geklammert und bin Stufe
für Stufe ganz langsam und vorsichtig hinuntergegangen;
Ich befürchtete, im letzten Moment zu stolpern und mir das Genick zu brechen.
Als die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, wusste ich intuitiv,
dass es mit meinem Leben noch bis zu einem gewissen Punkt
weiter bergab gehen würde, deshalb konnte ich mich nicht freuen.
Ich habe mich bis zum heutigen Tag nicht mehr in die Nähe dieses Hauses getraut,
obwohl es das Naheliegendste wäre,
um meinen Erinnerungen auf die Sprünge zu helfen.
Gegenwart. Ich steige aus der Dusche und sehe mir im Spiegel dabei zu,
wie ich vergeblich versuche, meinen strubbeligen, nassen Haaren
Eine Frisur zu verpassen, die auch nur ansatzweise gut aussieht.
Das Augenpaar, das mir aus dem Badezimmerspiegel entgegenblickt,
kenne ich ganz genau. Ich habe in den letzten 500 Tagen unzählige Male in
diese Augen geblickt, und ihre Blicke haben Bände gesprochen,
Janis holt mich aus dem Narrenkästchen zurück auf den Planeten Erde;
Sie springt auf den Schrank neben dem Waschbecken und bettelt mit
ihren Pfoten um meine Hände.
Ich öffne das Badezimmerfenster und lasse neben der Katze
eine Wolke heißen Wasserdampf hinaus ins Freie steigen.
Das Bad ist 100%ig angstfrei; das einzige, was mich an früher erinnert,
sind die negativen Emotionen, die sich kurzzeitig in mir aufbäumen,
als ich mit der kalten Luft zwangsläufig auch die Geräusche
anderer Menschen in meinem Lebensraum hineinlasse.
Ich hasse es immer noch, die Anwesenheit von mir nicht geduldeter Lebewesen
in meiner Nähe ertragen zu müssen.
Ich unterdrücke einen kurzweiligen misanthropischen Ausbruch;
ich unterdrücke ihn, ich bewältige ihn nicht.
Ich will ihn nie und ich werde ihn nie bewältigen können.
In dem Wirtshaus, in dem wir uns gezwungenermaßen an diesem Abend befinden,
sitzt uns am Tisch ein Ehepaar in den mittleren Jahren gegenüber, das damit beschäftigt war,
salzige und vor Fett nur so triefende Nahrung in schmatzenden Münder zu schaufeln.
Der Mann zerreißt ein gebratenes Huhn mit den Händen und leckt sich die Finger ab.
Die Frau schnappt hastig nach einer Gabel, auf der sich wässriger Krautsalat befinden.
Die beiden erzählen uns stolz von ihren Blutwerten und behaupten,
dass man, wenn man mit der Nahrung zu viel Salz aufnimmt, einfach mehr trinken müsse.
„Ich trinke sowieso viel Bier“, sagt der Mann und beißt in seine Hühnerkeule.
Ich kontrolliere kurz ein paar Register in meinem Kopf
und komme schließlich zu der Feststellung, dass er den Satz, den er eben sagte,
todernst gemeint hat und von der Richtigkeit dessen Inhalts überzeugt war.
In meiner Phantasie schreie ich den beiden
„Salz bindet das Wasser in den Zellen, verdammt noch mal!“
und „Alkohol gilt nicht als Flüssigkeit!“ ins Gesicht;
in der Realität halte in meinem Mund und versuche, mir de Ekel,
den die beiden in mir verursachen, nicht anmerken zu lassen.
Auf ihren hochroten Köpfen bilden sich über den zusammengekniffenen
Schweinsaugen die ersten, kleinen Schweißperlen.
Angst beschleicht mich in dieser Situation lediglich in dem Augenblick,
in dem ich mir eingestehen muß, dass diese beiden Menschen keinen blassen Schimmer
davon haben, was in der Welt um sie herum passiert
und dass sie die Grenzen ihrer Köpfen niemals überschreiten werden.
Im Bett beschleicht mich kurz ein Gefühl, das mich an Angst erinnert.
Ich habe dieses Gefühl an diesem Ort oft empfunden, es war eine Form von Angst,
die ich vorher noch nicht kannte und die sich mittlerweile auf ein Minimum reduziert hat
beziehungsweise so gut wie gar nicht mehr vorhanden ist.
Ich habe den Eindruck, dass unter der Zimmerdecke negative Energie hängt, die auf mich herabschaut.
Sie wartet darauf, mich anfallen und auffressen zu können.
Ich weiß, dass es mir eines Tages gelingen wird,
sie bis in alle Ewigkeit aus diesem Raum zu vertreiben;
falls sie nicht schon längst fort ist. Ich missachte völlig,
dass es sich bei ihr möglicherweise um meinen eigenen Hass handeln könnte.
„Eines Tages werde ich dieses Haus abreißen lassen“, denke ich müde.
Ich zünde eine Kerze an und schlafe langsam ein.
Am anderen Morgen muß ich mir eingestehen,
dass ich nicht wirklich davon ausgegangen bin,
während der Nacht von einem Klumpen Antimaterie gefressen zu werden.
Das Telefon klingelt. Wenn jemand so früh anruft,
kann es sich nur um meine Plattenfirma handeln.
„Hallo A., hier ist K.! Ich habe Dir etwas zu sagen, etwas, das Du noch nicht wusstest.“
Ich bin froh, diese Worte nicht zu hören.
„A., willst Du mit Samsas Traum noch erfolgreicher werden?
Willst Du noch mehr Platten verkaufen? Ja?“
Die Stimme meines Plattenbosses preist mir durch die
Hörermuschel meinen eigenen Erfolg wie ein Fischverkäufer Aale auf
einem Wochenmarkt an. Angst macht mir in solchen Augenblicken
ausschließlich die risikofreudige Selbstsicherheit und die meiner
Leistungsfähigkeit von mir entgegengebrachte Ignoranz, die mir Sätze wie:
„Sicher, kein Problem. Wir verwirklichen alle Pläne, so kurzfristig
sie auch gefasst sein sollten“ über die Lippen gleiten lässt.
Ich habe festgestellt, dass es sich bei diesem Leben im allgemeinen bei all seinen Problemen, ihren Lösungen, ihren Ursachen und den Auswirkungen diverser Handlungen
lediglich eine Folge von logischen Zusammenhängen handelt.
Wenn ich „A“ ausführe, wird „B“ passieren.
Wenn ich „C“ unterbinde, wird „D“ niemals geschehen;
Man kann dieses Spiel das ganze Alphabet, hinauf und hinunter, kreuz und quer, durchspielen.
Hierbei handelt es sich um keine Annahme, sondern um eine Tatsache,
die nicht nur das Phantom der Angst fast völlig verblassen lässt,
sondern die auch dabei hilft, die Natur etlicher Gedankenverkettungen zu durchschauen.
Das eigene Leben, sogar der eigene Kopf verwandelt sich durch dieses Denkmodell
in ein Schachbrett, auf dem man seine Taten wie Figuren bewegt;
und man bewegt sowohl die weißen als auch die schwarzen Figuren.
Angst hingegen ist ein Zustand, in dem man der Fähigkeit,
bewusst in die eigene Geschichte einzugreifen,
beraubt wurde oder sich freiwillig hat berauben lassen.
Ich hatte das Glück, dass ich vor der Blütezeit dieser Entwicklung komplett zerstört wurde
und für mich nur noch die Wahl zwischen Tod und Leben bestand,
mir die Entscheidung also ziemlich leicht gemacht wurde.
Vielleicht habe ich einfach nur darauf gewartet,
dass mein Leben endlich auf zwei Richtungen reduziert werden würde,
die mir nicht immer eindeutig sichtbar vor den Augen lagen.
Zusammenfassend würde ich sagen,
und ich betrachte diesen Satz als Wiedergutmachung für das,
was mir u.a. von mir selbst angetan wurde,
dass Angst kein Bestandteil meines Lebens mehr ist.
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Страх II
Вы спрашиваете меня, что такое страх? Страх может быть очень разным,
по крайней мере, я не могу вспомнить, когда в последний раз
чувствовал такой страх, какой испытал в квартире №47.
Когда я слушаю свои записи того времени, мне кажется,
будто между мной и моим прошлым лежат целые миры,
миры, впечатления и воспоминания о которых
я могу поймать и удержать лишь в самых редких случаях.
Единственное, что я перенес с собой из "тогда" в "сегодня",
по всей видимости, сигареты.
Я до сих точно помню слова С., произнесенные им
во время своего единственного посещения суицидальной квартиры:
"А вон в том углу должны были разлететься твои мозги", –
он показал пальцем на белую бетонную стену и смущенно улыбнулся.
"Не знаю, что-то не так с этим домом. Это заметно, уже
когда идешь по коридору, залитому холодным светом".
"Да, ты прав", – ответил я, подтвердив оба его высказывания.
Я не знаю, заметил ли он тогда, что я удивился этому проявлению
его сочувствия, но одним летним днем 2002 года
после обеда С. единственный раз увидел ту картину,
которая открывалась моим глазам каждый вечер.
Я не рассчитывал, что когда-нибудь выйду из этого дома живым.
У меня было чувство, будто он хотел меня убить.
Даже после того, как я нашел следующего квартиранта и жилье
было передано домоуправлению, я все еще сомневался,
что, несмотря на это, я смогу выйти за дверь на улицу.
Я ухватился за перила и очень медленно и осторожно
стал спускаться вниз ступенька за ступенькой.
Я боялся оступиться в последний момент и сломать шею.
Когда дверь за мной захлопнулась, я интуитивно понимал,
что до определенного момента моя жизнь будет и дальше
идти по наклонной, поэтому я не мог радоваться.
До сегодняшнего дня я не осмеливался подойти к этому дому,
хотя это был бы самый очевидный способ
восстановить свои воспоминания.
Настоящее. Я выхожу из душа и вижу в зеркале,
как я напрасно пытаюсь причесать свои растрепанные мокрые
волосы, чтобы они выглядели хоть немного лучше.
Пару глаз, смотрящих на меня из зеркала в ванной,
я знаю очень хорошо. За последние 500 дней я смотрел в эти глаза
бесчисленное количество раз, и их взгляд говорил о многом.
Янис возвращает меня на планету Земля из коробки для дураков,
она запрыгивает на шкаф рядом с умывальником и
своими лапами просится ко мне на руки.
Я открываю окно в ванной, и облако горячего
водяного пара вылетает на свободу.
Ванная на 100% чиста от страха; единственное, что напоминает мне о прошлом,
это негативные эмоции, которые ненадолго возникают во мне,
когда вместе с холодным воздухом я неизбежно впускаю
в свое жизненное пространство шум, производимый другими людьми.
Я до сих пор ненавижу, что приходится терпеть в своей близости
присутствие живых существ, которых я не выношу.
Я подавляю занимательную вспышку мизантропии,
я подавляю ее, но не преодолеваю.
Я не хочу и не смогу никогда перебороть ее.
В ресторане, в котором мы поневоле оказались этим вечером,
за столом напротив нас сидит супружеская пара средних лет.
В свои чавкающие рты они запихивают соленую и пропитанную жиром еду.
Мужчина разрывает руками жареную курицу и облизывает пальцы.
Женщина торопливо тянется ртом к своей вилке с водянистым салатом из капусты.
Оба с гордостью рассказывают нам о составе своей крови,
что если потребляешь слишком много соленой пищи, то нужно просто больше пить.
"Я и так пью много пива", – говорит мужчина и кусает куриную ножку.
Я быстро проверяю пару регистров у себя в голове
и наконец прихожу к заключению, что сказанную им только что фразу
он принимает всерьез и убежден в ее правильности.
В своих мыслях я кричу им обоим в лицо:
"Черт возьми, да соль задерживает воду в клетках!"
И "Алкоголь не считается за жидкость!"
В реальности я держу язык за зубами и пытаюсь скрыть
отвращение, которое они вызывают у меня.
На их красных головах над узкими поросячьими глазками
уже образуются первые маленькие капли пота.
В этой ситуации страх овладевает мной в мгновение,
когда я должен признать, что два этих человека не имеют
ни малейшего понятия о том, что происходит в окружающем мире
и что они никогда не перешагнут границы собственных тел.
В постели меня ненадолго охватывает чувство, напоминающее страх.
Я часто испытывал его на этом месте, то была форма страха,
которого я не знал раньше и который тем временем сократился до минимума,
вернее, он теперь уже не такой сильный.
Такое впечатление, что под потолком висит смотрящая на меня негативная энергия.
Она ждет, когда сможет напасть и сожрать.
Я знаю, что однажды у меня получится
навсегда прогнать ее из этой комнаты,
если она уже давно не исчезла. Я полностью игнорирую,
что она может быть проявлением моей собственной ненависти.
"Однажды я снесу этот дом", – думаю я устало.
Я зажигаю свечу и медленно засыпаю.
Следующим утром я должен признаться себе,
что на самом деле я не вышел из него,
пока сгусток антиматерии пожирает ночь.
Звонит телефон. Когда кто-то звонит так рано,
Это может быть только моя студия звукозаписи.
"Привет, А., это К.! Мне нужно кое-что сказать тебе, кое-что, чего ты не знал".
Я рад не слышать эти слова.
"А., ты хочешь стать еще успешнее с “Samsas Traum”?
Хочешь продать еще больше дисков? Да?"
Голос моего босса из трубки расхваливает
мой собственный успех, как продавец рыбы
на базаре – угря. Исключительно в такие мгновения страх
подстраховывает меня и мою работоспособность
от проявленного мною невежества, из-за которого с моих губ
слетают слова: "Конечно, не вопрос.
Мы осуществим все планы так быстро, как нужно".
Я понял, что, в общем, все проблемы в этой жизни,
их решения, их причины и последствия различных действий –
это лишь следствие логической цепочки.
Если я сделаю "А", случится "B".
Если я не сделаю "С", никогда не произойдет "D".
Так можно разыграть весь алфавит сверху до низу, вдоль и поперек.
Речь идет не о предположении, а о факте,
который не только почти полностью прогоняет фантом страха,
но еще и помогает понять природу некоторых мыслесплетений.
Эта логическая модель превращает собственную жизнь, даже собственную голову
в шахматную доску, по которой, как фигуры, передвигаются поступки,
и мы играем одновременно и белыми, и черными фигурами.
Страх же, наоборот, это состояние, в котором способность
осознанно вмешиваться в собственную историю,
утрачена или отдана добровольно.
Мне повезло, что меня полностью разрушили до расцвета этого развития
и у меня все еще был выбор между жизнью и смертью,
так что принять решение мне было довольно легко.
Возможно, я просто ждал,
что моя жизнь, наконец, сократится до двух направлений,
которые не всегда четко стояли у меня перед глазами.
В общем и целом, я бы сказал –
и я рассматриваю эту фразу как искупление того,
что я среди прочего причинил себе сам –
что страх больше не является частью моей жизни.
Автор перевода - Aphelion из СПб
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